Diskussionsrunde im Gerflor Showroom Wien

Die Arbeitswelt in der Architekturbranche und ihre Verantwortungen

ARCHITECTS Diskussionsrunde im Gerflor Showroom © Roland Rudolph

Der Semesterbeginn rückt immer näher, vorab möchten wir uns daher nochmal dem Thema „Next Generation“ widmen. In der im März erschienenen Ausgabe wurden Studium und Berufseinstieg in der Architekturbranche thematisiert. Dabei kamen Problemstellungen und Hürden im Berufsstand zutage, die wir in der ARCHITECTS Diskussionsrunde mit AkteurInnen der Branche reflektieren, analysieren und interpretieren: ein Abriss der Architekturarbeitswelt aus verschiedenen Blickwinkeln.


 

Bei der Arbeit an der Märzausgabe von architektur. aktuell haben wir viel Frust und Unmut gegenüber der Architekturbranche wahrgenommen – wo seht ihr den Ursprung dieser Unzufriedenheit?

[Christian Kircher, smartvoll]: Früher war das Motto: Nur viel arbeiten ist das Wahre, also Masse vor Effizienz und Qualität. Das hat bereits im Studium in Form von Prahlerei angefangen, vom Arbeitsaufwand hin zur Anzahl der Nachtschichten, die man in Projekte investiert hat. Ich bin der Meinung, dass das ein verschobenes Bild in der Architekturbranche ist, das es neu zu denken gilt. Denn kein Projekt wurde je qualitativ besser durch eine Nachtschicht. Es sollte möglich sein, ohne Überstunden und Nachtschichten als Architekturbüro zu existieren. Allerdings muss man diese Entscheidung bewusst treffen und anschließend auch dazu stehen. Bei uns im Büro handhaben wir das klassisch mit 40-Stunden-Verträgen und weder wir noch unsere MitarbeiterInnen produzieren Überstunden. Falls dies doch mal passiert, haben wir als Geschäftsführung etwas falsch gemacht.

[Ella Felber, ZKMB]: In der Arbeitswelt sind es vor allem die Wettbewerbe mit ihrer Abgabekultur, die im Büroalltag oft zu Nachtschichten führen. Es passiert schnell, dass Fehler entdeckt werden, die durch Übermüdung entstanden sind und kurz vor der Abgabe ausgebessert werden müssen. Das wird uns im Studium schon antrainiert: Eine Kollegin hat in ihrer Studienzeit eine schlechtere Note auf ein Projekt bekommen, weil sie aus gesundheitlichen Gründen nicht über Nacht in der Uni geblieben ist. Beim Studienassistenten kam das nicht gut an. In dieser Arbeitskultur gibt es kein Verständnis dafür, wenn jemand nicht mitmacht – Mitmachen kann aber nur, wer keine anderen Verpflichtungen wie Care-Arbeit hat, wer nicht unter körperlichen oder psychischen Krankheiten leidet oder wer auf Freizeit verzichtet.

Christian Kircher im Gespräch © architektur.aktuell, Roland Rudolph

Christian Kircher im Gespräch
© architektur.aktuell, Roland Rudolph

[San-Hwan Lu, TU Wien]: Ich habe neben meinem Studium in einem Architekturbüro gearbeitet und den EU-Beitritt Österreichs mitbekommen, als sich im ersten Sommer nach dem Beitritt plötzlich PraktikantInnen aus Deutschland und den Niederlanden beworben haben, die ihre Arbeit weit unter Marktwert anboten. Das kann schnell eine Dynamik anstoßen, die andere am Arbeitsmarkt unter Druck setzt, weniger Gehalt zu verlangen. In der Lehre kommt es immer wieder zu Diskussionen, ob man Praktika verpflichtend in die Curricula integrieren soll, weil das Studium allein nicht nah genug an der Berufswelt sei. Ich denke, dass Praktika nicht förderlich für ein faires Lohnniveau sind, da der Fokus weniger auf die tatsächliche Leistung als auf den formalen Abschluss gelegt wird.

[Karolin Wagner, Young Earth Builders]: Die Problematik der enormen Zeitinvestition ist nicht nur ein Phänomen in der Arbeitswelt, sondern vor allem im Studium. Die Uni vermittelt uns, dass wir mehr leisten, wissen und können müssen, als es in anderen Studiengängen der Fall ist. Meine persönliche Erfahrung war beim Eintritt in die Berufswelt tatsächlich eine Erleichterung, weil dort gewünscht war, Grenzen zu setzen und nicht übermäßig viele Überstunden anzusammeln.

[Laura Frediani, FREDIANA.studio]: Wie die persönliche Arbeitshaltung gestaltet werden kann, ist ein Aspekt, der im Studium kaum vermittelt wird. Komposition, technische Lösungen und Materialien sollten ebenso wie die eigene Ressourceneinteilung in den Lehrplan inkludiert werden. Die Aussichten auf den Berufsalltag, die am Anfang des Studiums vermittelt werden, sind leider oft negativ. Nächte durchzuarbeiten, das Studium abzubrechen oder großen finanziellen Aufwand für die Abgaben aufzubringen, gilt als selbstverständlich. Es wäre wichtig, Alternativen aufzuzeigen, um eine gesunde Beziehung zur eigenen Arbeit aufbauen zu können. Das könnte auch viele Dynamiken in der Arbeitswelt positiv verändern...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer ARCHITECTS Ausgabe. Der Volltext ist ab Seite 6 zu finden.

Karolin Wagner im Gespräch © architektur.aktuell, Roland Rudolph

Karolin Wagner im Gespräch
© architektur.aktuell, Roland Rudolph


 

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