Tuckey Design Studio, Trevarefabrikken © Andrea Gjestvang

„Die Menschen, die Trevarefabrikken besuchen, haben ein Bewusstsein für Offenheit und Gemeinschaft“, so Martin Hjelle, Mitbegründer des Hotels und Kulturzentrums Trevarefabrikken in Henningsvær auf den Lofoten in Nordnorwegen. Die ehemalige Lebertranfabrik und Holzwerkstatt aus den 1940er-Jahren stand lange Zeit leer, bevor sie von Martin Hjelle und seinen drei Freunden entdeckt wurde. Während ihrer Reise durch Norwegens Natur erkannten sie schnell das Potenzial des verlassenen Gebäudes.


Als die Gründer der Trevarefabrikken 2014 durch die Lofoten reisten, verbrachten sie ihre Tage mit Klettern und Wandern. Nachts schlief die vierköpfige Gruppe unter der Mitternachtssonne in der Heidelandschaft. In der kleinen Ortschaft Henningsvær trafen sie einen einheimischen Musiker, der sie eines Nachts auf den Gipfel des Festvågtinden führte. Aus einer Höhe von 541 Metern über dem Meeresspiegel bot sich ihnen ein beeindruckender Ausblick auf die kleine Ortschaft Henningsvær, die ins Meer hinausragt und mit einem ikonischen Fußballplatz auf der äußersten Landzunge abschließt. Zwischen dem steilen Berg und dem flachen, grasbewachsenen Spielfeld reihen sich traditionelle bunte Fischerhütten aneinander. Vom Aussichtspunkt aus entdeckten sie in der Ferne ein scheinbar leerstehendes Gebäude. Der Musiker erzählte ihnen, dass es zum Verkauf stünde. Begeistert von den industriellen Details, dem Blick auf die aus dem Meer ragenden Berge und der inspirierenden Geschichte des Gebäudes, entschieden sich die Freunde spontan dazu, die ehemalige Fabrik zu kaufen.

Die von ihnen beantragten finanziellen Mittel für die Reparatur und Sanierung des Daches und der Fassade wurde von der Region Nordland und vom Kulturminnefondet genehmigt. Ein Grund dafür war sicherlich die Einzigartigkeit des Gebäudefundamentes: Die große Menge an Beton wurde viele Jahre bevor Henningsvær durch eine Brücke mit dem Rest der Lofoten verbunden war, einst an Ort und Stelle in die Holzschalung gegossen. Das benötigte Material wurde damals mit dem Boot gebracht. Solch ein Aufwand in einem kleinen Fischerdorf wie Henningsvær war 1948 keineswegs üblich. „Unser Respekt vor dem Gebäude wuchs, je mehr wir darüber erfuhren“, erzählt Hjelle. Nach dem spontanen Kauf des Anwesens nutzten sie die folgenden Sommer, um den Betrieb zu reinigen, zu sanieren und langsam auszubauen – „ein bisschen Manie muss bei solchen Projekten schon sein“, lacht er.

Ein Großteil der Arbeiten wurde als Freiwilligenarbeit durchgeführt, von der Entrümpelung bis hin zur Restaurierung des Daches. Diese großzügige, gemeinschaftsorientierte Denkweise ist in Henningsvær auch heute noch sehr präsent. „Allemannsretten“ bedeutet „Jedermannsrecht“ und gewährt allen Menschen in Norwegen den allgemeinen Zugang zur Natur, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen am jeweiligen Grund und Boden. Neben diesem grundsätzlichen freien Zutritt, der der Öffentlichkeit gewährt wird, existieren allerdings auch künstliche Zugänge, etwa durch architektonische Eingriffe in Naturgebiete.

Ehemalige Trevarefabrikken © Trevarefabrikken

Die ehemalige Lebertranfabrik wurde in ein Hotel und Kulturzentrum umgewandelt.
© Trevarefabrikken

Auf den Lofoten in Nordnorwegen gibt es elf öffentlich finanzierte Landschaftsrouten, die als Attraktionen gelten und zahlreiche TouristInnen anziehen. Jedes Jahr stellt die Region neue Tourismusrekorde auf. Während der gesamten Frühjahrssaison waren 9,5 Prozent mehr Autos auf den Straßen unterwegs als im Vorjahr. Zwischen 2022 und 2023 gab es außerdem einen Anstieg der gewerblichen Übernachtungen um 15 Prozent. Über die vergangenen Jahre hat sich auch Trevarefabrikken zu einem Treffpunkt für die lokale Gemeinschaft und TouristInnen entwickelt. Neben lokalen Speisen und Getränken, Pizza aus dem Holzofen, Yoga und Saunieren mit anschließendem kaltem Bad im Meer werden seit 2018 auch Übernachtungsmöglichkeiten angeboten. Dazu kommt ein breites kulturelles Angebot – diverse Veranstaltungen und das jährliche Festival Trevarefest sind immer schnell ausverkauft und gut besucht.

Die ursprünglich vorgefundene Leere in Trevarefabrikken wartete nur darauf, von neuen Ideen erfüllt zu werden, und hat im Laufe der Jahre einiges an architektonischer Kreativität inspiriert. Einer der kreativen Köpfe hinter der Umgestaltung ist Jonathan Tuckey, Gründer von Tuckey Design Studio. Der Londoner Architekt ist bekannt dafür, die Geschichte von Gebäuden akribisch zu bewahren. Die Umwandlung einer Lebertranfabrik in ein Hotel und einen kulturellen Hotspot bot dem ArchitektInnenteam eine spannende Aufgabe: Sie integrierten moderne Elemente, die Funktionalität und Komfort verbesserten, sorgfältig in die bestehende Struktur. Neue Heizungs-, Sanitär- und elektrische Systeme wurden installiert, um zeitgemäßen Standards zu entsprechen, ohne den Charakter des Gebäudes zu beeinträchtigen. Überall im Gebäude sind Spuren der Vergangenheit ersichtlich...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 7-8/2024. Der Volltext ist ab Seite 88 zu finden.


Trevarefabrikken in Bildern:

Tuckey Design Studio, Trevarefabrikken © Andrea Gjestvang

Trotz der großartigen landschaftlichen Umgebung zahlen die Leute hier vor allem...
© Andrea Gjestvang

Tuckey Design Studio, Trevarefabrikken © Andrea Gjestvang

...um den Charme der Unterkunft zu erleben.
© Andrea Gjestvang

Tuckey Design Studio, Trevarefabrikken © Andrea Gjestvang

Das Hotel Trevarefabrikken verbindet Innenräumen mit der beeindruckenden Naturlandschaft.
© Andrea Gjestvang

Tuckey Design Studio, Trevarefabrikken © Andrea Gjestvang

Ein verantwortungsvoller Tourismus steht hier im Vordergrund.
© Andrea Gjestvang


 


 

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