Studio Hertweck, Haus Glasner © Veit Landwehr

Nachdem ein idyllisch gelegenes Grundstück im Ahrtal gefunden wurde, beauftragte eine junge Familie Studio Hertweck mit der Realisierung ihres neuen Zuhauses. Entstanden ist eine Architektur, die sich an der traditionellen Bauweise der Hofhäuser, die einst in den Dörfern des Ahrtals weit verbreitet waren, orientiert und einen Fokus auf Resilienz und Nachhaltigkeit legt.


Die Umgebung des Hauses spielte eine zentrale Rolle im architektonischen Entwurfskonzept. Das Grundstück, eine Baulücke inmitten hoch aufragender, freistehender Einfamilienhäuser, stellte Studio Hertweck vor die Herausforderung, Privatsphäre und eine gewisse Distanz zur bereits vorhandenen, dichten Bebauung zu schaffen. Die Lösung fanden sie in der Wiederaufnahme der traditionellen Hofhaustypologie – einst weit verbreitet in der Region, löste sich diese Struktur in der Nachkriegszeit langsam auf und entwickelte sich zum klassischen, freistehenden Einfamilienhaus. Statt diesem mittlerweile etablierten architektonischen Konzept weiter zu folgen, ließ sich der Architekt Florian Hertweck von der Vergangenheit inspirieren und plante ein Gebäude mit einem geschlossenen Innenhof, der sowohl Schutz als auch Privatsphäre bietet. Zudem fördert diese Form der Bebauung die Gemeinschaft der BewohnerInnen und verleiht den Häusern eine höhere räumliche Qualität. Durch die hier umgesetzte Grenzbebauung besteht außerdem eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die NachbarInnen ebenfalls wieder eher ein Hofhaus planen, was zukünftig zur Entstehung eines harmonischen Quartiers beitragen kann.

Die HQ100 sagt aus, dass Hochwasserereignisse mit einer Wahrscheinlichkeit von einmal in 100 Jahren auftreten können. Es ist eine Referenzhöhe, die in Hochwassergebieten eingehalten werden muss. Das Grundstück befindet sich über der HQ100-Zone – weit weg von der Ahr und damit von der Hochwassergegend, weshalb die HQ100 für den Bauantrag als irrelevant galt. Trotzdem entschied sich der Architekt angesichts dieser Gegebenheiten bereits zu Beginn der Planungen, das Erdgeschoss des Hauses so zu gestalten, dass es im Notfall geflutet werden kann. Hier spielte sicher die persönliche Erfahrung mit Hochwasser eine Rolle – aufgewachsen in einem Haus am Rhein war der Architekt bereits als Kind Überschwemmungen gewohnt. „Wenn unser Haus mal wieder geflutet wurde, paddelte ich mit einem Schlauchboot durch mein Kinderzimmer“, erzählt er.

Studio Hertweck, Haus Glasner © Veit Landwehr

Das Erdgeschoss des Hauses wurde so gestaltet, dass es im Falle einer Überschwemmung geflutet werden kann.
© Veit Landwehr

Das Erdgeschoss des Glasner House wurde daher als Sockel aus robustem Stahlbeton gebaut, ganz ohne Wärmedämmung, Putz oder andere wasserempfindliche Materialien. Diese reduzierte Gestaltung erlaubt es, die Schäden bei Hochwasser zu minimieren. Das gesamte Erdgeschoss ist als kalter Baukörper konzipiert und beherbergt unterschiedliche Funktionsräume wie eine Garage mit ausreichend Platz für Fahrräder, die Haustechnik, die etwas höher gelegen ist, und eine Waschküche. Auch der Eingangsbereich befindet sich hier, wobei dieser über mehrere Treppenstufen zur Haustür führt, hinter welcher sich die Wohnräume im Obergeschoss befinden.

Im Jahr 2021, kurz nachdem die Familie ins Haus eingezogen war, kam die verheerende Ahrflut. Auf den ersten Blick schien alles gut gegangen, das gesamte Erdgeschoss wurde geflutet und die Familie konnte im oberen Geschoss bleiben, das sich als widerstandsfähig erwies. Das Wasser stieg allerdings höher als gedacht, bis ganz knapp unter den Fertigfußboden. Bohrungen bestätigten anschließend den Verdacht – wegen zwei Zentimetern musste die Bodenplatte aufgrund durch feuchteter Dämmung erneuert werden.

Die Ahrflut riss mindestens 467 Gebäude mit sich. Von den 4.200 Gebäuden entlang der Ahr sind geschätzt mehr als 3.000, also mehr als 70 Prozent aller Gebäude, beschädigt worden. Der Wiederaufbau nach der Flut dauert bis heute an. Diese Umweltkatastrophe zeigt, wie wichtig es ist, auf Gebäude-, aber auch auf Stadtebene Vorkehrungen gegen solche Ereignisse zu treffen. In diesem Zusammenhang spielt das architektonische Konzept des Ateliers Loidl eine entscheidende Rolle. Das Büro hat nach der Flut einen Masterplan für die Wiederbelebung der öffentlichen Freiräume in Bad Neuenahr-Ahrweiler entwickelt...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 10/2024. Der Volltext ist ab Seite 74 zu finden.


Haus Glasner in Bildern:

Studio Hertweck, Haus Glasner © Veit Landwehr

Im Obergeschoss wurde ein Holzbau umgesetzt.
© Veit Landwehr

Studio Hertweck, Haus Glasner © Veit Landwehr

Beton wurde nur dort eingesetzt, wo er absolut notwendig war.
© Veit Landwehr

Studio Hertweck, Haus Glasner © Veit Landwehr

Das Leben der Familie spielt sich um den zentralen Innenhof ab.
© Veit Landwehr


 


 

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