Monaco © Mareterra/L'Anse du Portier

Der wahre Luxus liegt in Monaco nicht im Geld, davon gibt es genug, sondern im Boden, im Quadratmeter, den man sich leisten kann - oder nicht. Boden ist hier, mehr noch als in anderen Städten, das höchste Spekulationsgut. Jedoch wird Bauland immer rarer, das Höchstmaß der Verdichtung ist erreicht. Allerdings hat man das schon in den 1950er-Jahren so gesehen, dennoch setzte damals erst so richtig der große Bauboom ein. Wie weit kann Verdichtung noch gehen? Wer gewinnt im spekulativen Ringen um den Boden und wie sieht es dabei mit der Aufteilung von privatem und öffentlichem Raum aus?


Bis zum 19. Jahrhundert lebte das auf einem schwer einnehmbaren Felsen gelegene Städtchen Monaco, damals noch mit Roquebrune und Menton vereint, hauptsächlich von Zitronen und der Landwirtschaft, bis der Bau des Casinos die Weichen neu stellte. Die Fürsten setzten auf das Wirtschaftswunder des damals aufkommenden Tourismus. Luxushotels siedelten sich in unmittelbarer Nähe der Küste an, mitsamt Parks, Strandpromenade, schicken Geschäften, Restaurants, Boutiquen, Autos und Extravaganzen in Form von Festen und Umzügen – Luxus im eigentlichen, glänzend-leuchtenden Sinne des Wortes (lat. Lux – lucere, luxi: leuchtend): Man zeigt sich und will gesehen werden.

Dieser mikroskopische Stadt-Staat, bestehend aus einem Felsen und einem kleinen Stück Küste, kann trotz großen Bevölkerungsandrangs – denn viele suchen seither das anziehende Steuerparadies am Mittelmeer auf – nicht mehr weiterwachsen. Nach dem nicht enden wollenden Bauboom, der nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt und zwischen den 1960er und den 1990er Jahren mit immer höher werdenden Türmen einen Höhepunkt erreicht hat, ist Boden ein knappes Gut geworden. Heute gibt es keinen freien Flecken mehr. Dennoch häufen sich die Strategien, weiterzubauen, denn Bauen ist Geld – viel Geld – so wohl für die ProjektentwicklerInnen als auch für den Staat des Fürstentums, „la Principauté“.

Monaco © Mareterra/L'Anse du Portier

Nach dem nicht enden wollenden Bauboom ist Boden ein knappes Gut geworden.
© Mareterra/L'Anse du Portier

Aufgrund seiner kleinen Größe ist Monaco zwar das Land mit dem höchsten Anteil an MillionärInnen und MilliardärInnen, der Staat aber ringt interessanterweise um Geld, wenn er große Bauvorhaben plant. Er ist nämlich zu klein, um durch Lebensversicherungen Bankgarantien für Kredite zu bekommen. Auch wenn es keine direkten Steuern in Monaco gibt, also keine Vermögens-, Erb-, Grund- und Einkommenssteuern, bereichert sich der Staat dennoch an seinen EinwohnerInnen dank der Mehrwertsteuer, insbesondre an den wohlhabenden und deren nicht zu vernachlässigen den Ausgaben. Firmen werden nur beim Export besteuert. Allerdings ist das nicht ausreichend, um den Staatsapparat des Fürstentums und die Ausgaben seiner Investitionen in öffentliche Einrichtungen (Verkehr, Spitäler, Schulen etc.) zu finanzieren.

Mareterra, Monaco © Loic Thébaud

Mareterra – das Projekt will Platz zwischen Land und Meer für MillionärInnen gewinnen.
© Loic Thébaud

Daher ist gut nachvollziehbar, welch wichtige Rolle das Bauen spielt, denn es ist eine wesentliche Einnahmequelle, schließlich ist eine gewisse Summe an den Staat zu bezahlen. Der Staat entwickelt auch selbst Immobilienprojekte. Er ist allerdings nicht Grundbesitzer seines gesamten Territoriums, wie etwa die Monarchie in London, die den Boden auf 100 Jahre verpachtet. In Monaco besitzt er nur 50 Prozent des Bodens, dazu gehören die Infrastruktur (Bahn, Straßen, Parks etc.) und öffentliche Einrichtungen (Verwaltung, Schulen, Wohnbau). Braucht der Staat neues Bauland, muss er mit PrivatbesitzerInnen verhandeln, er hat auch das Recht zu enteignen. Zu den Aufgaben des Staates gehört mitunter die Errichtung von staatlichem sozialem Wohnbau („Logements domeniaux“). Dieser ist in erster Linie für Staatsangestellte gedacht, die sich in ihrem Heimatland keine Wohnung leisten können (dazu gehören zum Beispiel LehrerInnen zu Beginn ihrer Karriere). Es geht um die sogenannten „Enfants du Pays“ (Kinder des Landes), die seit Generationen die monegassische Staatsbürgerschaft besitzen – was eher selten ist, denn sie zählen nur 9.200 Personen in einem Staat, in dem insgesamt 38.200 Menschen leben. Dieser Bevölkerungsteil „muss geschützt werden“, betont Frederick Kappler, Vizedirektor des Amts für Zukunftsforschung, Stadtplanung und Mobilität, „denn Monaco ist durch die zugewanderte Bevölkerung, die das Steuerparadies angezogen hat, für Normalsterbliche völlig unerschwinglich geworden.“

In Monaco sind die Einwanderer nicht etwa, wie üblicherweise, ArbeiterInnen und Angestellte – die haben keine Aussicht auf die monegassische Staatbürgerschaft, die man nur schwer erhält, sondern Hyperreiche. Wobei auch diese die begehrte Staatsbürgerschaft schwer bekommen. Die im Dienstleistungssektor arbeitenden AusländerInnen wohnen nicht in Monaco, sondern in Frankreich oder Italien. Sie verdienen im Fürstentum um ca. 15 bis 20 Prozent mehr und haben somit den Vorteil, verhältnismäßig besser gestellt zu sein als Menschen mit vergleichbaren Jobs in ihren Heimatländern. Insgesamt pendeln täglich 50.000 Personen ins Fürstentum. Zu den Mobilitätsprojekten von Monaco und der Côte d’Azur gehört die Verdichtung des Takts der Nahverkehrsbahnlinie auf 15 Minuten, denn die Züge sind mehr als voll. Die letzte freie Landreserve des Staats war die Eisenbahntrasse, die in den 1990er-Jahren verlegt und untertunnelt wurde, um Parkgaragen und vier Hektar Bauland zu gewinnen. Auch hier herrscht große Dichte, um den Grund maximal auszunutzen. Der letzte Abschnitt wird gerade fertiggestellt, darunter befinden sich zwei vom Staat errichtete Türme „Elsa“ und „Reseda“ (Architekt: Alexandre Grimaldi). Dass es sich um sozialen Wohnbau handelt, sieht man ihnen nicht an, denn mit ihren schicken wellenförmigen Balkonen und großzügig verglasten Räumen sehen sie aus wie Luxuswohnungen. Der Staat lässt sich das Wohlergehen seiner Angestellten etwas kosten. Gewissermaßen „Luxus für alle“ – ein schönes Motto. Allerdings betrifft hier das „alle“ in erster Linie die einheimische Bevölkerung.

Monaco ist – wie in Colin Rowes „Collage City“ – aus heterogenen Stücken zusammengesetzt. Östlich der Altstadt mit dem auf dem Felsrücken thronenden Fürstenpalais türmen sich auf den Steilhängen puzzleartig Hochhäuser aus verschiedenen Epochen über den Villenvierteln der Belle Époque. Es entstehen eindrucksvoll komplexe Raumsituationen, die an Piranesis Zeichnungen erinnern. Oft wirken die stilistisch und größenmäßig nicht zusammenpassenden, beinahe bühnenhaften Versatzstücke grotesk. Jeder freie Fleck wird genutzt, um weiterzubauen, was nicht so einfach ist. Denn Boden kann in Monaco laut Frédérick Kappler nur noch durch drei Strategien gewonnen werden...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 7-8/2024. Der Volltext ist ab Seite 62 zu finden.

Alexandre Grimaldi, Elsa und Reseda © Susanne Stacher

Dass es sich hier um sozialen Wohnbau handelt, sieht man den Hochhäusern Elsa und Reseda nicht an.
© Susanne Stacher


 

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