Wiener Wohnbau-Traditionen

Kosten, Regeln, Standards

Arbeiterwohnungen in der Eichenstraße, Wien © Josef Moser, CC BY-SA 3.0

Im Wien der Gründerzeit (1848–1900) entstand durch den Zuzug hunderttausender BinnenmigrantInnen aus der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie eine eklatante Wohnungsnot. Die Stadt wuchs von einer halben Million auf zwei Millionen EinwohnerInnen. Vermietbare Wohnflächen konnten daher leicht „spekulativ“ errichtet werden. So entstanden zigtausende „Zinshäuser“ (Zins = Mietzahlung).


Obwohl die Notlage der Wohnungssuchenden durch hohe Mieten ausgenützt wurde, brachte die typische Zimmer-Kabinett-Wohnung eine Steigerung des Standards gegenüber den vorherigen Elendsquartieren der MigrantInnen. WC und Wasserentnahmestelle (Bassena) befanden sich in diesen typischen Massenwohnbauten des 19. Jahrhunderts am Gang vor den Wohnungseingängen. Die Finanzierung erfolgte in den privaten Bauten über die Mieten, weshalb vielen Menschen durch die hohe Belastung der weitere soziale Aufstieg verwehrt blieb. Werkswohnungsbauten und soziale Stiftungshäuser wiesen mögliche Auswege.

In den Industriezentren in Nordböhmen, der Obersteiermark und im Wiener Becken war es üblich, dass die Fabriksinhaber den zugezogenen Familien nicht nur Arbeit boten, sondern auch Wohnungen. So entstanden viele Werkssiedlungen, etwa in Steyr, in Marienthal oder im Mürztal. Nach Adaptierungen werden sie bis heute bewohnt. In Wien sorgte etwa die Südbahngesellschaft in einem erhaltenen Geschosswohnbau an der Eichenstraße für ihre MitarbeiterInnen. Die Investitionen wurden von den Unternehmen getragen und waren ein selbstverständlicher Teil der Produktionskosten.

Lobmeyrhof, Wien © Herzi Pinki, CC BY-SA 4.0

Der ehemalige Gemeindebau Lobmeyrhof in Wien-Ottakring.
© Herzi Pinki, CC BY-SA 4.0

Einen sozialen Gedanken verfolgten jene großen Wohnbauten, die um 1900 von adeligen, bürgerlichen oder kirchlichen Stiftungen errichtet wurden, beispielsweise aus Anlass des 50. Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Josef 1898. Im Lobmeyerhof konnte etwa der „Luxus“ einer geringeren Dichte und eines großen grünen Innenhofes realisiert werden – ein Prototyp der Wiener „Gemeindebauten“ in der Ersten Republik (1918–1933). Das „Rote Wien“ wurde damals – wie heute – von Sozialdemokraten regiert. Die Standards menschenwürdiger Wohnungen wurden von der Gemeinde (dem Bundesland) Wien in einer kommunalen Wohnbauinitiative mit rund 60.000 Wohneinheiten definiert. Finanziert wurde diese...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 7-8/2024. Der Volltext ist ab Seite 30 zu finden.


 

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